Der Baron, die Juden und die Nazis: Reise in eine Familiengeschichte (German Edition) by Jutta Ditfurth

Der Baron, die Juden und die Nazis: Reise in eine Familiengeschichte (German Edition) by Jutta Ditfurth

Autor:Jutta Ditfurth [Ditfurth, Jutta]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
ISBN: 9783455851021
Herausgeber: HOFFMANN UND CAMPE VERLAG GmbH
veröffentlicht: 2013-10-03T22:00:00+00:00


Dinter war ein antisemitischer völkischer Schriftsteller, Mitbegründer des »Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes« und 1930 erster Gauleiter Thüringens. Er beschreibt in seinem Roman, »wie ein reicher Jude die rassische Reinheit einer deutschen Frau schändete«. Obwohl sie ihn verließ und einen »Arier« heiratete, glichen ihre Kinder »dem jüdischen Stereotyp«. George Mosse: Das Buch »vermittelte das Grauen vor rassischer Schändung in einer schlechthin unmenschlichen Gestalt«.[559]

Auch Armgard von Hardenberg griff gern zu antisemitischer Lektüre. Sie bat Adalbert Volck, den Vorsitzenden der Deutschvölkischen Freiheitspartei, ihrer Zwillingsschwester Gertrud sein Buch Völkisches Erleben und Wollen[560] zum siebzigsten Geburtstag zu schenken.[561] Volck gehörte zu denen, die Adolf Hitler nach dem gescheiterten Putsch von 1923 dazu drängten, die NSDAP-Parteizentrale von München nach Berlin zu verlegen; dort gebe es »Männer nordischen Blutes«, die von »der in Deutschland grassierenden sittlichen Feigheit nicht ergriffen worden sind«.[562]

All meine Verwandten, die sich politisch äußerten, waren Anhänger oder sogar Aktivisten der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP). Hertha von Schierstädt machte auf dem Land Wahlkampf für sie.[563] Ihr großer Held, gleich nach Hindenburg, war im März 1919 General Paul von Lettow-Vorbeck.[564] Der war soeben im Triumph durch das Brandenburger Tor gezogen, der Beginn einer unendlichen Flut von Ehrungen für den »unbesiegten Helden« aus Afrika.

Lettow-Vorbeck war 1900 in China für Massaker an der Zivilbevölkerung mitverantwortlich. Wilhelm II. hatte 2000 Soldaten zur Niederwerfung des »Boxeraufstands« dorthin geschickt: »Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht!«[565] Seine Erfahrungen konnte Lettow-Vorbeck bald im Kampf gegen die afrikanischen Herero und die Nama nutzen, wo er als Erster Adjutant von Generalleutnant Lothar von Trotha bei der »Schutztruppe« in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) eingesetzt wurde. Der berechtigte Aufstand gegen koloniale Unterdrückung wurde »mit allen Mitteln ausgebrannt« (Lettow-Vorbeck). Die Herero wurden in die Omaheke-Wüste getrieben. Wer dort nicht starb, wurde erschossen, Männer, Frauen, Kinder. 65000 Herero und mehr als 10000 Nama verloren ihr Leben.[566]

1914 wurde Lettow Kommandeur der »Schutztruppe« in Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania. Er war, so die Askari, der »Herr, der unser Leichentuch schneidert«[567], ein Feldherr, der Plünderungen, Folter, Massaker, Vergewaltigungen, Morde an Kriegsgefangenen und standrechtliche Erschießungen zum System machte. Hunderttausende Menschen starben infolge seiner Kriegsführung. Afrika war das blutdurchtränkte Schlachtfeld für den militärischen Ehrgeiz nicht nur dieses rassistischen Adligen. Eine ganze Reihe meiner Verwandten waren dort. Sie übten Kriegsmethoden ein, die eines Tages an der Ostfront und im Kampf gegen Partisanen und Juden genutzt werden würden.

In Ostafrika sammelte Paul von Lettow-Vorbeck, wie er glaubte, Erfahrungen mit Juden. Dort »sah ich auch die ersten Massai, die im Gegensatz zur Mehrzahl der ostafrikanischen Stämme reine Hamiten sind und in einem besonderen Reservat leben. Erwähnt mag werden, dass [Moritz] Merker[568] der beste Kenner der Massai, in ihnen die Urjuden sieht.« [Hervorhebung J. D.]

Am Ende des Krieges wurde Lettow-Vorbeck gezielt als Volksheld aufgebaut. Hindenburg diente er als lebender Beweis für die Dolchstoßlegende: Hatte Lettow, der in Afrika gegen eine Übermacht kämpfte, nicht erst Wochen nach der deutschen Kapitulation aufgeben müssen? Es wurde das Märchen erfunden, Lettow habe feindliche europäische Truppen in Ostafrika gebunden und so dem deutschen Heer auf den europäischen Schlachtfeldern den Rücken freigehalten. Reichswehrminister Noske (SPD) ernannte Lettow-Vorbeck im März 1919 zum Kommandeur einer Reichswehrbrigade.



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